Coaching ist nicht Training ist nicht Coaching

„Coach den X mal schnell, ich muss da rüber aus die andere Kampffläche, weil Y gleich dran ist!“ - „Jetzt reiße dich mal zusammen, Du willst doch den ersten Platz, oder? Dann stell Dich so an und gib Gas!“ – „Sag mal, bist Du blöde? Schalt das nächste Mal Dein Hirn ein, wenn Du auf die Kampffläche gehst!“

Haben Sie Sätze wie diese im Wettkampf von „Coaches“ schon mal gehört? Leider glauben die Urheber immer noch gerne, dass diese wirksam und gerechtfertigt sind. Coaching heisst hier oft einfach nur dem Athleten jemanden an die Seite zu stellen - egal wie qualifiziert derjenige ist - oder ihn herumzukommandieren, damit er das macht, was der "Coach" glaubt, was das Richtige jetzt ist. Dabei wiedersprechen diese Verhaltensweisen der grundsätzlichen Definition von Coaching und der modernen Sportpsychologie in so vielen Ebenen und zeigen nur, wieviel im Sport bei der angemessenen Begleitung von Sportlern falsch verstanden wird.

Einen Athleten zu betreuen bedeutet nicht ihn zu coachen

Leider wird das Training vor und die Betreuung von Sportlern auf Wettkämpfen immer noch gemeinhin als „Coaching“ tituliert, was es in den allerwenigsten Fällen tatsächlich ist. Einen Athleten zu betreuen heißt nicht zwangsläufig, dass man ihn „coacht“ – dazu gehört viel mehr.

Coaching ist, von der modernen Sportpsychologie aus betrachtet, ein elementarer psychologischer Bestandteil der Ausbildung, des Trainings und der Betreuung von Sportlern und ein Grundbaustein ihres Erfolges. Unterschiedliche Belastungsszenarien im Training und Wettkampf können die Resilienz des Sportlers auf verschiedenen Ebenen fordern. Dies gilt für kleinere, zeitlich begrenzte Probleme wie Lampenfieber oder kleineren Verletzungen bis hin zu Motivationsproblemen, Leistungstiefs oder gar Burnouts. Fundierte und gefestigte psychologische Unterstützung, Begleitung und Beratung durch einen Coach kann helfen, mentale Probleme durch oft höchst individuelle Probleme zu reduzieren und Gefahren durch Stress, Depression und Burnout zu verringern.

Coach ist eine Begrifflichkeit, die aus dem amerikanischen Englisch entsprang und dort wie auch in den anderen englischsprachigen Ländern zu Anfang und oft auch heute noch als Synonym für den Trainer verwendet wird. Mit Anfang der sportpsychologischen Betrachtungsweise des Trainings werden jedoch die Begriffe immer mehr getrennt und spezifische Aufgabenstellungen für beide definiert. Um die Arbeit der einzelnen Beteiligten zu optimieren und auch zum Wohle des Sportlers zu agieren, ist es notwendig, dass absolut klar ist, was ein Coach leisten muss, welche Fähigkeiten er haben sollte und was ihn von einem Trainer unterscheidet.

Der Unterschied

Der Trainer

Primäres Ziel ist im Leistungssport eine maximale sportliche Leistung im Wettkampf, die unter optimalen Bedingungen zum Sieg über die Konkurrenz führen soll. Damit dieses Ziel erreicht wird, ist es Aufgabe des Trainers, das Training auf verschiedenen zeitlichen Ebenen zu planen und zu überwachen. Mit seinem Fachwissen in der Trainingslehre ist er dafür verantwortlich, durch methodisch-taktische und didaktisch optimal gestaltete Trainings den Athleten im Auf- und Ausbau spezifischer sportlicher Fähigkeiten und Verhaltensweisen auszubilden und auf den Wettkampf vorzubereiten. Er ist Anleiter, Moderator und Lernbegleiter, das alles mit sportwissenschaftlichem Hintergrund. Seine psychologische Unterstützung ist im Wesentlichen darauf beschränkt, didaktisch motivierend auf den Sportler einzuwirken und dadurch die Inhalte und die Durchführung unterstützend zu begleiten. Dies beinhaltet natürlich eine gewisse soziale und emotionale Kompetenz, die jedoch eine Hintergrundfunktion ausübt und nicht expliziter Bestandteil des Trainings ist. Der Trainer in seiner Rolle ist eigentlich kein spezifischer Bestandteil des eigentlichen Wettkampfes mehr, denn mit dem Start auf einem Turnier hat er seine Aufgabe erfüllt.

Der Coach

Unter Coaching wird heute die fundierte psychologische Betreuung von Athleten verstanden, die nicht nur das Training umfasst, sondern auch die privaten Lebensbereiche und den Wettkampf berührt. Der Coach er berät und motiviert die Sportler unter Zuhilfenahme von Methoden aus der Psychologie, der emotionalen Intelligenz und mentalen Trainings und überlässt ihnen so weit wie möglich die Verantwortung für die Themen- und Zielsetzung während des Trainings, was einen besonderen Aspekt darstellt. Denn die Eigenverantwortlichkeit des Athleten zu stärken ist Grundlage für die Motivation, auch selbst Dinge bearbeiten, zu trainieren und lösen zu wollen. Kurz gesagt lehrt der Coach den Athleten im Wesentlichen die mentalen Potentiale zu nutzen, die bereits in ihm stecken. Diese zu erkennen und explizit zu fördern macht einen guten Coach aus. Was im Übrigen für Coaching auch in anderen Kontexten gilt.

Diese unterschiedlichen Herangehensweisen und Methoden von Trainer und Coach bedingen auch unterschiedliche Konzepte für den Umgang mit mentalen Belastungen und Stress. Im professionellen Bereich werden im Coaching die störenden Faktoren in Gesprächen, Beobachtungen, und ggf. Tests und Fragebögen, diagnostisch genau erfasst. Damit kann ein individueller psychologischer Trainingsplan erstellt werden, mit dem der oder die Klienten selbstständig weiterarbeiten können. Je nach Problemstellung kann der Umfang des Coachings dabei von einer einmaligen Beratung bis hin zu einer kontinuierlichen Begleitung reichen. Ein solches Coaching fördert die folgenden Fertigkeiten:

  • Entspannungsfähigkeit
  • Steuerung der Konzentration und der Aufmerksamkeit
  • Umgang mit Leistungsdruck, Anspannung, Sieg und Niederlage
  • Vorstellungskraft und die Fähigkeit zur Visualisierung
  • Selbstgesprächsregulation
  • Psychische Regeneration
  • Verarbeitung von Traumata wie Verletzungen oder schwere Stürze oder andere Missgeschicke

Die Realität - und ein Lösungsansatz

Im Amateursport überholen die Realitäten aber gerne das Wunschdenken. Hier lassen sich Coach und Trainer in der Person oft im Gegensatz zum Profisport nicht klar voneinander trennen, denn einerseits sind es die fehlenden Ressourcen und andererseits auch die personellen Themen, die hier eine Rolle spielen. Auch kann nicht für jeden Athleten ein Coach zur Seite gestellt werden. In der Psychologie gut ausgebildeten psychologische Berater, die im Sport tätig sein wollen, sind dünn gesät – und nicht immer finanzierbar. Aus diesem Grund muss der Trainer oft die Funktion des Coaches übernehmen. Dies kann bis zu einer gewissen Ebene gut funktionieren, wenn der Trainer bereit ist, sich dem Konzept Coach intensiv zu widmen, sein Ego nach hinten stellen kann und die psychologischen Grundlagen hierfür erlernt. 

Der Sportcoach als „Allrounder“

Um effektiv etwas zu erreichen, legt der Sportcoach, also der Trainer und Coach in Personalunion, im Umgang mit Sportlern im Training besonderen Wert auf die Faktoren Beziehung, Inhalt, Struktur, Sprache, Gefühle und Zeit. Mithilfe dieser Faktoren kann ein Sportcoaching die Entspannungsfähigkeit, die Steuerung der Aufmerksamkeit und Konzentration und den Umgang mit Anspannung und Leistungsdruck positiv beeinflussen. Um diese Ziele zu erreichen, gibt es verschiedene Coachingmethodiken wie Mentaltraining, Rollenspiele, Selbstreflektionsmethodiken und viele mehr. Der Sportcoach kann damit die individuellen Leistungsvoraussetzungen optimieren und das Erreichen von gesteckten Zielen unterstützen.

Wichtigster Faktor: Beziehung

Die Beziehungsarbeit zwischen Sportcoach und Athlet beruht auf stetiger Kommunikation und der unbedingten Rückendeckung des Sportlers. Er braucht das Gefühl, ergebnisunabhängig ernstgenommen zu werden, eigene Verantwortung übernehmen zu dürfen und auf die Unterstützung des Coaches bauen zu können. Hiervon hängt die Kritikfähigkeit aber auch der konstruktive und mitfühlende Umgang mit Fehlern und Krisen auch in der Beziehung zum Coach und Trainer ab.

Inhalt

Oberstes Ziel der inhaltlichen Arbeit ist es, dass sich der Athlet mit den gegebenen Themen selbständig und aktiv auseinandersetzt. Der Sportcoach muss die Inhalte so psychologisch geschickt vermitteln, dass der Athlet sich damit identifiziert und motiviert ist, selbst an einer Aufgabenstellung zu arbeiten und Lösungen zu präsentieren. Denn eine intrinsische Motivation, die der Sportler damit an den Tag legt, ist in der Effizienz deutlich höher angelegt als nur vorbeten und nachmachen.

Struktur

In der Struktur einer Betreuung muss der Coach immer wieder prüfen, ob der Athlet dieser folgen kann und ob die Struktur angepasst werden muss. Inhaltliche Vermittlung von Themen muss demnach zielgerichtet, klar und verständlich aufgebaut sind und die Beziehungen zu anderen Themen und Inhalten offengelegt sein, um Querverbindungen zum bereits Erfahrenen oder Gelernten herstellen zu können.  

Sprache

Dazu gehört es einerseits positive Formulierungen auch für schwierige Themen und Situationen zu finden, da diese mehr motivieren, aber auch die Benutzung einfacher, kurzer und prägnanter Sätze. Die Sprache entscheidet, ob ein Athlet sich einem Thema weiter widmen will oder abblockt. Das ist eines der schwersten Themen, da es mit innerer Selbstregulation und Selbststeuerung zu tun hat, um eventuell auftretende negative Gefühle bei beiden Beteiligten steuern zu können.

Gefühle

Die Bedeutung eines positiven Mindsets ist in der Sportpsychologie eine der leistungsentscheidenden Faktoren, die sehr schnell und auch kurzfristig wirken können. Ein positiv gestimmter Athlet ist erfolgreicher! Je nach Technik und Herangehensweise ist es Aufgabe des Coaches, dieses Mindset zu steuern und damit die Leistungsbereitschaft und den Erfolg des Athleten zu steigern. 

Zeit

Ein Sportcoach muss den Faktor Zeit auf verschiedenen Ebenen betrachten. Probleme lassen sich oft nicht sofort lösen, psychologische Arbeit braucht unterschiedlich lange Zeit, um zu wirken, die Konzentrationsfähigkeit von Menschen ist unterschiedlich angelegt, bestimmte Themen erfordern sofortige Handlung und Wirkung, andere dürfen sich Zeit lassen. Der richtige Zeitpunkt, Gelassenheit, Geduld und das Wissen um die menschliche Psyche sind hier entscheidend für den Erfolg des Coachings – und damit auch für das Training.

Fazit 

Coaching ist nicht Training ist nicht Coaching… 

Coaching, welches über das Training hinausgeht bzw. dieses erweitert ist wichtig und wird immer wichtiger. Es ist zum Wohle des Sportlers entscheidend, sich darüber im Klaren zu werden, was Sportcoaching zu leisten imstande ist. Nur scheitert es derzeit häufig noch an einer klaren Definition der eigenen Tätigkeiten durch die Trainer und deren fehlenden psychologischen Grundausbildung. Es scheitert oft auch daran, dass sich Trainer selbst und ihre Themen oft wichtiger nehmen als den Sportler und seine Themen. Aber auch das kann durch eine gewisse Reflexionsfähigkeit reguliert werden. Es kostet Zeit und Mühe, die aber in zweierlei Hinsicht wichtig und es wert ist: einerseits wird der Sportler leistungsfähiger – und auch Sie als Mensch können durch die Ausbildung als Sportcoach und dem einhergehenden Wissen um die Psychologie des Menschen wachsen und neue Wege der Entfaltung eigener Potentiale finden.

Karl Michael Schölz

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