28.03.2011 - Karate-Evaluation in der Forensischen Klinik Regensburg

„Straftäter und Karate? Wie soll denn das zusammen passen?“? Mit dieser Frage wurden Diplom-Psychologe Christian Hartl und sein Kollege Helmut Leißl bei der Einführung ihres Budo-Projekts in der forensischen Klinik Regensburg häufig konfrontiert. Während für viele Menschen Karate vor allem etwas mit „Zuschlagen“ zu tun hat, ist für aktive Karatesportler klar, dass Budo und Gewalt nicht zusammen passen. Vielmehr haben sie an sich selbst die Erfahrung gemacht, dass Karate ein erfolgreicher Weg sein kann, um mit Agressionen umzugehen und um durch die Auseinandersetzung mit sich selbst die eigene Persönlichkeit weiter zu entwickeln.

In forensischen Kliniken werden sucht- und psychischkranke Straftäter behandelt, welche häufig gravierende Defizite im Selbstbewusstsein, in ihrer Anpassungsfähigkeit, ihrer Impulsivität und ihrem Durchhaltevermögen aufweisen. Genau hier sollte das Budo-Projekt als ein zusätzlicher Baustein in der Therapie ansetzen und dabei helfen, Fortschritte in der Behandlung der Patienten zu erzielen.

Dazu wurde eine Gruppe von acht Patienten ausgewählt, mit denen 20 Wochen lang einmal wöchentlich Karate geübt wurde. Dabei ging es nicht um „Kämpfen“, „Schlagen“ oder „Gewinnen“. Vielmehr wurde der Schwerpunkt auf Körpergefühl, Körperbeherrschung, Zur-Ruhe-kommen und verantwortungbewusstes Partnertraining gelegt. In den jeweiligen Nachbesprechungen wurden die Erfahrungen der Teilnehmer sowie die Übertragbarkeit des Gelernten in die Therapie und in den Alltag besprochen. Um erwünschte Veränderungen, aber auch eventuelle negative Auswirkungen überprüfen zu können, wurde das Projekt wissenschaftlich begleitet von der Diplom-Psychologin Conny Rieder in Zusammenarbeit mit Frau Professor Petra Jansen (Sport) und der aktiven Karate-Sportlerin Dr. Katharina Dahmen-Zimmer (Psychologie) von der Universität Regensburg. Zu Beginn wurde eine ausführliche psychologische Testung der Teilnehmer durchgeführt, um im Vergleich mit der Testung nach Abschluss des Projekts Veränderungen an den Patienten feststellen zu können. Gleichzeitig wurde eine Kontrollgruppe vergleichbarer Patienten getestet, die über denselben Zeitraum Badminton trainierten.

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Es zeigte sich dann, dass ein direkter Vergleich nur schwer möglich war, da zum Abschluss des Projekts nur noch zwei Teilnehmer der Badminton-Gruppe übrig waren. Hier sah man aber bereits ein wichtiges Ergebnis der Karate-Gruppe, nämlich dass die Teilnehmer sehr gut motiviert werden konnten, über einen längeren Zeitraum Erfolgserlebnisse sammeln konnten und somit an den gemachten Erfahrungen weiter arbeiten können. Besonders wichtig war auch die Feststellung, dass die Teilnehmer durch das Training nicht aggressiver wurden, was wie gesagt für Aussenstehende ohne Karate-Erfahrung nicht selbstverständlich ist. Entscheidend dafür war aber auch ein speziell gestaltetes Training, in dem die Wettkampforientierung nicht im Vordergrund stand.

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Die Reaktionen der Teilnehmer waren ebenfalls sehr ermutigend. Viele konnten eine persönliche Weiterentwicklung und vielfältige Erfolgserlebnisse beschreiben, wie z.B. ein gesteigertes Durchhaltevermögen, eine bessere Körper-wahrnehmung, bessere Kondition, mehr Selbstsicherheit und eine gesteigerte Konzentrationsfähigkeit. Aber auch der Umgang mit eigenen Gefühlen wie Angst und Scham sowie die Fähigkeit, sich „in Andere hineinversetzen zu können“ haben sich positiv entwickelt. Aus der Sicht aller Beteiligten ist dies ein sehr erfolgversprechender Ansatz, den die beiden Gruppenleiter Hartl und Leißl gerne weiter verfolgen möchten. Ihr Dank geht auch an den Leiter der forensischen Abteilung, Chefarzt Dr. Mache für seine Unterstützung bei diesem Projekt. Auch BKB-Präsident Wolfgang Weigert verfolgte die Durchführung und die Ergebnisse des Projekts mit grossem Interesse, da ihm der wissenschaftliche Nachweis positiver Effekte des Karate sehr am Herzen liegt.

Bericht:
Christian Hartl

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